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Strafverteidigung im polizeilich geführten Ermittlungsverfahren

Strafverfahren sind in mehrere Abschnitte untergliedert; zunächst besteht ein solches aus einem Erkenntnis- und einem Vollstreckungsverfahren. Letzteres schließt sich an eine gerichtliche Verurteilung an. Das Erkenntnisverfahren, das auch ein etwaiges Hauptverfahren vor einem Strafrichter, Schöffengericht oder einer Strafkammer umfassen kann, ist das hauptsächliche Betätigungsfeld eines Rechtsanwalts für Strafsachen bzw. eines Strafverteidigers. Ein solches erkennendes Verfahren beginnt in aller Regel mit Ermittlungen durch die Polizei – meistens durch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag. Eigentliche „Herrin“ des Verfahrens ist zwar die Staatsanwaltschaft, sie bedient sich dabei allerdings vornehmlich der Polizei, die als Ermittlungsorgan tätig wird und das Verfahren zunächst durchführt. Gesetzlich geregelt ist das Ermittlungsverfahren in der Strafprozessordnung – StPO – und findet sich vornehmlich in den §§ 160 bis 177.

Bei der Erforschung des Sachverhalts sind sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft gehalten, nicht nur diejenigen Umstände zusammenzutragen, die eine Strafbarkeit als Wahrscheinlich erscheinen lassen, sondern sie müssen auch jene Tatsachen berücksichtigen und in der Ermittlungsakte dokumentieren, die sich entlastend auswirken können. Trotzdem ist es bereits in diesem Stadium der Ermittlungen gesetzlich möglich und tatsächlich ratsam, sich eines Verteidigers zu bedienen und eine ordnungsgemäße Strafverteidigung bereits jetzt vorzubereiten. Ein Beschuldigter, dem während eines solchen Verfahrens rechtliches Gehör gewährt werden muss, ist von Polizei und Staatsanwaltschaft (sowie durch ein Gericht) auch darauf hinzuweisen, dass es ihm vor einer Aussage bzw. Vernehmung frei steht, einen Rechtsanwalt mit seiner Strafverteidigung zu beauftragen und/oder diesen über die einem Beschuldigten zustehenden Rechte zu befragen (vgl. §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 3 StPO).

Insbesondere bei Befragungen durch Polizeibeamte ist dieser Umstand wichtig, da vielen Menschen, die in einem Strafverfahren als Beschuldigte vorgeladen werden, nicht klar ist, dass es keine Pflicht zum Erscheinen bei der Polizei gibt. Nur vor der Staatsanwaltschaft sowie vor einem Richter ist dieses Erscheinen Pflicht und kann bei Nichtbeachtung erzwungen und als Verstoß gegen eine Pflicht auch sanktioniert werden. Da also eine Vorladung als Beschuldigter bei der Polizei bereits nicht verpflichtend ist, sollte sich jeder, der eine Vorladung als Beschuldigter erhält, aber trotzdem im Polizeirevier oder Kommissariat erscheinen will, in Erwägung ziehen, nicht alleine zu einer polizeilichen Vernehmung zu gehen, sondern einen Rechtsanwalt oder Strafverteidiger mit der Begleitung und Beratung zu beauftragen.

Ratsam kann es allerdings ebenso sein, einen Vernehmungstermin abzusagen, um sich zunächst anwaltlich beraten zu lassen. Über eine Strafverteidigerkanzlei kann nämlich auch zunächst die Ermittlungsakte angefordert werden, um nach erfolgter Einsicht eine Stellungnahme für den Beschuldigten einzureichen und zeitgleich einen Antrag gemäß den Möglichkeiten der StPO zu stellen, der Einfluss auf das Ermittlungsverfahren nehmen kann. Grundsätzlich sei festgehalten, dass eine sinnvolle Strafverteidigung gar nicht früh genug während der Ermittlungen beginnen kann!

Strafverteidigung

Die Strafverteidigung bzw. Verteidigung in einem Strafverfahren bedeutet die Wahrnehmung von Rechten eines Angeschuldigten, Beschuldigten oder Angeklagten sowie die damit verbundenen Aktivitäten, die sich etwa in Bezug auf die Feststellung der vorgeworfenen Tatsachen und den Schuldvorwurf oder eine mögliche Sanktion beziehen, durch einen Rechtsanwalt – oder einen Rechtslehrer, der die Befähigung zum Richteramt hat, vgl. § 138 Abs. 1 StPO, während eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens. Als Rechtsanwälte, die insofern als Strafverteidiger tätig werden, kommen insbesondere solche aus Deutschland oder einem EU-Mitgliedstaat in Betracht, ausnahmsweise, wenn das Gericht es genehmigt, auch Anwälte aus anderen Ländern. Darüber hinaus können auch vereinzelt sonstige Ausnahmen zugelassen werden, wie etwa die Beiziehung von Angehörigen steuerberatender Berufe in Steuerstrafverfahren.

Ein Verteidiger kann nach § 138a StPO in den dort genannten Fällen von einer Verteidigung ausgeschlossen werden; dies etwa, wenn er in Verdacht steht, an der jeweiligen Tat beteiligt zu sein, die Gegenstand des Verfahrens bildet. Grundsätzlich ist es einem Angeschuldigten, Beschuldigten oder Angeklagten freigestellt, ob er einen Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger hinzuziehen will. Tut er dies und ist der Verteidiger frei gewählt worden, spricht man vom so genannten Wahlverteidiger. Es gibt allerdings Fälle, in denen eine Verteidigung gesetzlich vorgeschrieben, also notwendig ist. Dann muss ein Verteidiger das Verfahren begleiten. Dies betrifft etwa Fälle, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird, er sich in Untersuchungshaft befindet oder dies wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage geboten ist. In solchen Fällen kann der Verteidiger als Pflichtverteidiger tätig werden. Die Folge einer solchen Beiordnung durch das Gericht ist dann, dass der Pflichtverteidiger seine Gebühren aus der Staatskasse beglichen erhält. Eine solche Beiordnung wird unabhängig von den Einkommensverhältnissen durchgeführt und ist eine Ausformung des Rechtsstaatsprinzips. Wenn der Angeklagte zunächst keinen Verteidiger hat und sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, dann fordert das Gericht dazu auf, binnen einer Frist einen Rechtsanwalt zu benennen, der die Verteidigung übernimmt. Folgt der Angeklagte dieser Aufforderung nicht, dann benennt das Gericht von Amts wegen einen Rechtsanwalt als Strafverteidiger. Wenn also beispielsweise ein Strafrichter am Amtsgericht Bremen den Angeklagten XY, gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist, anschreibt und diesem mitteilt, es liege ein Fall der notwendigen Verteidigung vor und der Angeklagte möge binnen einer Frist von zwei Wochen einen Verteidiger benennen, so ist Eile geboten.

Entschließt sich der Betreffende zu spät oder gar nicht, dann wird er möglicherweise von einem Rechtsanwalt vertreten, mit dem ihn kein Vertrauensverhältnis verbindet, weil das Gericht nach Verstreichen der Frist selbst einen Verteidiger ausgewählt hat. Grundsätzlich sollen Pflichtverteidiger nicht von ihrem Mandat entbunden werden, so dass es im Weiteren hier zu Schwierigkeiten kommen kann, die vermeidbar sind, wenn man sich in einem solchen Fall rechtzeitig um die gewünschte rechtliche Vertretung kümmert.

Keine Einwilligung der Körperverletzung bei einer Massenschlägerei

Der Bundesgerichtshof entschied in einer zunächst beim LG Stuttgart anhängigen Sache wegen wechselseitig begangener Körperverletzungen unter Angehörigen rivalisierender Jugendgangs. Deren Angehörige hatten sich zu einer körperlichen Auseinandersetzung verabredet und auch in die Hinnahme von Verletzungen eingewilligt. Trotzdem kommt nach dem BGH eine rechtlich erhebliche Einwilligung nach § 228 StGB nicht in Betracht, wonach die Rechtswidrigkeit einer begangenen Körperverletzung entfallen wäre. Der BGH begründet dies damit, dass eine solche Konfliktsituation eine typischerweise auftretende Eskalationsgefahr in sich berge. Fehle es insoweit an das Gefahrpotential begrenzenden Absprachen, verstoße eine solche Einwillung gegen die guten Sitten, auch wenn mit einzelnen Körperverletzungen keine Todesgefahr einhergegangen sei (Vgl. BGH vom 20.2.2013 – 1 StR 585/12)

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.