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Die Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft ist in der StPO geregelt und beschreibt die Inhaftnahme eines Menschen, der noch nicht rechtskräftig durch ein Strafgericht verurteilt worden ist und mithin als unschuldig gilt.

Anders als die Strafhaft, die die Vollziehung eines auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils bedeutet, hat die Untersuchungshaft keinen sanktionierenden Charakter. Sie soll stattdessen einen späteren oder gleichzeitigen Strafprozess sichern. Dass heißt, es geht um die vollständige Aufklärung der Tat, die möglicherweise ohne Verhängung der Untersuchungshaft erschwert oder verhindert würde.

Die U-Haft darf nur durch einen Richter angeordnet werden; dies bestimmt § 114 StPO. Die Staatsanwaltschaft hingegen hat lediglich die Möglichkeit, den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zu stellen. In dem schriftlich abzufassenden Haftbefehl muss der Richter vor allem angeben, weshalb die U-Haft richterlich befohlen wird. Diese so genannten Haftgründe sind die Flucht des Tatverdächtigen, eine bestehende Fluchtgefahr desselben oder die Verdunkelungsgefahr. Eine Verdunkelungsgefahr wird angenommen, wenn zu befürchten ist, dass der Tatverdächtige auf Beweismittel einwirkt, zum Beispiel in dem sie beiseite geschafft werden oder indem auf Zeugen in unlauterer Weise eingewirkt wird. Für diese Haftgründe müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte bestehen, sie dürfen nicht allein als Möglichkeit der Verwirklichung angegeben werden. Ein Haftgrund kann aber auch darin begründet liegen, dass die vorgeworfene Straftat ausgesprochen schwer ist, wie etwa Mord oder Totschlag, § 112 Abs. 3 StPO. Schlussendlich gibt § 112a StPO die Möglichkeit auch dann eine U-Haft anzuordnen, wenn eine konkrete Wiederholungs- oder Fortsetzungsgefahr besteht und bestimmte Straftaten im Raume stehen, wie etwa Sexualstraftaten oder zumindest wiederholt begangene schwerwiegende Delikte.

Eine Grundvoraussetzung für den Erlass eines U-Haftbefehls ist allerdings, dass auch ein dringender Tatverdacht gegen zu Verhaftenden besteht. Dieser ist gegeben, wenn eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte die Tat als Täter oder Teilnehmer begangen hat. Schlussendlich muss die U-Haft auch verhältnismäßig sein; so darf sie etwa nicht angeordnet werden, wenn die zu erwartende Strafe geringer ausfällt, als die Dauer des Freiheitsentzuges durch die U-Haft.

Wird ein Beschuldigter aufgrund eines Haftbefehls in Gewahrsam genommen, so ist er unverzüglich einem Richter vorzuführen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, falls andere Maßnahmen einen gleichen Erfolg versprechen. Wenn die Voraussetzungen für die U-Haft nicht mehr vorliegen, ist der Haftbefehl aufzuheben. Die StPO sieht die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die U-Haft vor. So können eine Haftprüfung oder eine Haftbeschwerde beantragt werden. Grundsätzlich soll eine U-Haft maximal sechs Monate andauern, es kann jedoch durch ein OLG oder den BGH eine Fortdauer angeordnet werden.

Der Vollzug der U-Haft wiederum wird durch die einzelnen Untersuchungshaftvollzugsgesetze der Bundesländer geregelt.

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.

 

 

Beiordnung eines neuen Verteidigers kann interessenwidrig sein

Der Bundesgerichtshof in Strafsachen entschied jüngst durch Urteil über die hinreichende Verteidigung in einer Pflichtverteidigersache, in der der Angeklagte kurzfristig und für einen Verhandlungstag durch einen anderen als den bestellten Verteidiger vertreten wurde. Die Sache, die im Wesentlichen Bezug zu den §§ 140, 145 Abs. 1 StPO hat, beruhte auf folgendem Vorlauf: Gegen den später verurteilten Angeklagten wurde ein landgerichtliches Verfahren geführt, dass mit einer Verurteilung wegen Beihilfe zur veruntreuenden Unterschlagung gem. § 246 Abs. 2 StGB endete.

Am vierten Tag der Hauptverhandlung erschien der Pflichtverteidiger des Angeklagten nicht, da er sich aus gesundheitlichen Gründen ärztlich untersuchen lassen musste. Zunächst war davon ausgegangen worden, dass die Verhandlung, die um 9.10 Uhr begonnen hatte und um 9.12 Uhr unterbrochen worden war, dann nach der ärztlichen Untersuchung um 11.00 Uhr fortgesetzt werden könne. Der Pflichtverteidiger konnte allerdings auch im Weiteren nicht vor Gericht erscheinen. Es stand die Vernehmung eines Zeugen an, der aus dem Ausland angereist war. Mit Einverständnis des Angeklagten wurde für diesen Tag dann durch das Gericht ein anderer Verteidiger beigeordnet. Der nunmehr beigeordnete Verteidiger nahm keine Einsicht in die Verfahrensakte und führte vorab lediglich ein kurzes Gespräch mit seinem Mandanten. Die durch eine Dolmetscherin begleitete Vernehmung des Zeugen wurde wortwörtlich in das gerichtliche Protokoll aufgenommen. Fragen richtete der für diesen Prozesstag beigeordnete Verteidiger nicht an den Zeugen.

Der ursprüngliche Pflichtverteidiger nahm dann an allen weiteren Prozesstagen wieder selbst teil. Er stellte einen Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen, was jedoch vom Gericht mit Hinweis auf § 244 Abs. 5 StPO abgelehnt wurde.

Der BGH stellte nun fest, dass die Ablehnung einer erneuten Vernehmung des Zeugen die Verteidigung des Angeklagten unzulässig beschränkt habe und den Erfordernissen des § 145 Abs. 1 S. 2 StPO entgegenstehe. Diese Normierung sieht vor, dass bei Ausbleiben des Verteidigers die Verhandlung ausgesetzt werden kann. Andererseit kann das Gericht aber auch „sogleich“ einen neuen Verteidiger bestellen. Insoweit muss das Gericht eine Ermessenabwägung und –entscheidung fällen, ob der Kontinuität der Verteidigung oder aber dem reibungslosen Fortgang der Verhandlung der Vorzug zu geben ist. Der BGH hat in diesem Fall darauf erkannt, dass die Beiordnung eines neuen Verteidigers als interessenwidrig anzusehen ist und stattdessen eine Unterbrechung der Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen. In Anbetracht dessen, dass der neue Verteidiger keine Gelegenheit hatte, sich in den umfangreichen Stoff einzuarbeiten und lediglich ein kurzes Gespräch mit dem Angeklagten stattgefunden hatte, konnte nicht gewährleistet werden, dass der neue Verteidiger auf einen ausreichenden Wissensstand kommen konnte, um die Zeugenvernehmung auch ausreichend vornehmen zu können. Entsprechend hält der BGH fest, dass nur dann eine gesetzeskonforme Verteidigung vorliegt, wenn der Verteidiger den Stoff ausreichend beherrscht. Zu beachten war dabei indes, dass die Erkrankung des eigentlichen Verteidigers nicht langwierig erschien und der Zeuge auch von der Verteidigung beantragt worden war. Es kam bei der Entscheidung weder darauf an, dass der Ersatz-Verteidiger keine Bedenken geäußert hatte noch, dass dies nicht durch den Angeklagten geschehen ist (BGH 2 StR 113/13 vom 20.06.2013).

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.

Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot nach dem VereinsG-

Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch des Landgerichts Berlin gegen eine PKK-Aktivistin wegen Verstoßes gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VereinsG aufgehoben.

Die Angeklagte hatte an einer Versammlung teilgenommen und dabei eine Fahne gehalten, auf der das Konterfei des PKK-Führers Abdullah Öcalan zu sehen gewesen ist. Diese Fahne war von der Frau kurzzeitig ausgebreitet über ihrem Kopf hochgehalten worden. Dabei ging die Anklage davon aus, dass das Abbild Öcalans wegen der geringen Körpergröße der Frau von anderen schlecht zu sehen gewesen war. Des Weiteren trug die Frau eine Flagge der KCK, einer Untergrundnachfolgeorganisation der PKK, um ihre Schultern. Diese Fahne indes war derart zusammengelegt, dass die darauf gezeigte Symbolik nicht auszumachen und zu erkennen war. Erst bei der Festnahme stellte sich der politische Charakter dieser Fahne heraus.

Die nicht sichtbare KCK-Flagge wurde vom LG nicht als Förderung dieser Vereinigung angesehen, da sich deren ideografischer Gehalt nicht habe erkennen lassen. Auch der BGH beließ es bei dieser Feststellung.

Anders hingegen beurteilt der BGH die Nutzung der Flagge mit dem Bildnis Abdullah Öcalans. Der BGH stellt heraus, dass insoweit eine strafbare Handlung nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG gegeben sein könne, was das Landgericht unberücksichtigt gelasse habe. Dies sei wegen des Hochhaltens der Fahne mit dem gezeigten Bild Öcalans naheliegend. Dabei stellte der BGH klar, dass auch eine leichte Abwandlung der Abbildung Öcalans einer strafbaren Bewertung nicht entgegenstehe. Demnach sei eine leichte Abweichung daher nicht relevant, da auch solche Kennzeichen verboten seien, die den strafbewerten Originalen zum Verwechseln ähnlich seien.

Eine dem Betätigungsverbot unterfallende Handlung nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VereinsG liegt außerdem bereits dann vor, wenn sie eine konkret geeignete Handlung ist, um im Inland eine vorteilhafte Wirkung für den verbotenen Verein zu erzielen. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob diese Handlung auch tatsächlich einen Nutzen für den Verein erbracht hat. Allerdings bedarf es für diese Tätigkeit einer gewissen Erheblichkeit, deren Schwelle auch überschritten sein muss.

Zur erneuten Verhandlung hat der BGH die Sache an einen anderen Senat des LG Berlin zurückverwiesen.

BGH 3 StR 109/13, Urteil vom 27.6.2013

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.

Keine Einwilligung der Körperverletzung bei einer Massenschlägerei

Der Bundesgerichtshof entschied in einer zunächst beim LG Stuttgart anhängigen Sache wegen wechselseitig begangener Körperverletzungen unter Angehörigen rivalisierender Jugendgangs. Deren Angehörige hatten sich zu einer körperlichen Auseinandersetzung verabredet und auch in die Hinnahme von Verletzungen eingewilligt. Trotzdem kommt nach dem BGH eine rechtlich erhebliche Einwilligung nach § 228 StGB nicht in Betracht, wonach die Rechtswidrigkeit einer begangenen Körperverletzung entfallen wäre. Der BGH begründet dies damit, dass eine solche Konfliktsituation eine typischerweise auftretende Eskalationsgefahr in sich berge. Fehle es insoweit an das Gefahrpotential begrenzenden Absprachen, verstoße eine solche Einwillung gegen die guten Sitten, auch wenn mit einzelnen Körperverletzungen keine Todesgefahr einhergegangen sei (Vgl. BGH vom 20.2.2013 – 1 StR 585/12)

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.

Unterlassene Hilfeleistung löst Schadensersatzansprüche aus

Zivilrechtliche Haftung nach tatbestandlich verwirklichter unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB) – BGH vom 14.5.2013, VI ZR 255/11

Der Bundesgerichtshof hat am 14. Mai 2013 in einem Revisionsverfahren bestätigt, dass § 323c StGB – unterlassene Hilfeleistung – auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist und entsprechend Schadensersatzansprüche auslösen kann.

Hintergrund der Entscheidung war die Verursachung einer schweren Schussverletzung an einem Gerichtsvollzieher durch einen in seiner Persönlichkeit gestörten Mann. Der Täter, dessen Wohnung der Gerichtsvollzieher hatte räumen sollen, hatte zuvor seinem Vater die später genutzte Waffe gezeigt. Der Vater hatte hierauf nicht reagiert und den Gerichtsvollzieher dann ins Haus gelassen. Der Verletzte nahm neben dem Täter auch dessen Vater in Haftung. Während die Klage in der ersten Instanz keinen Erfolg hatte, gab das OLG Düsseldorf dem Kläger Recht. Die hiergegen erfolgte Revision hatte keinen Erfolg.

Der BGH legt seiner Entscheidung zugrunde, dass § 323c StGB nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz eines auf Solidarität beruhenden Gemeinwesens dienen soll. Vielmehr sollen auch Individualrechtsgüter des in Not Geratenden geschützt werden. Die nach § 323c StGB verlangte Erforderlich- und Zumutbarkeit war im vorliegenden Fall gegeben, denn der Vater hätte die Gefahr einer Straftat erkennen und darauf reagieren müssen.

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.