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Die Arg- und Wehrlosigkeit bei Mordmerkmalen

BGH-Urteil 2 StR 309/12

Der BGH hat am 21. November 2012 in einer Sache wegen Kindstötung zur Auslegung des Begriffs der Arg- und Wehrlosigkeit bei Mordmerkmalen entschieden.

Die Angeklagte hatte 2004, 2006 und 2009 aus einem Moment der Überforderung heraus ihre drei Säuglinge getötet, indem sie ihnen ihr Spucktuch in den Mund geschoben und die Nase zugedrückt hatte. Die ersten beiden Tötungen blieben zunächst in der Annahme, es sei ein plötzlicher Kindstod eingetreten, unentdeckt. Die Angeklagte wurde landgerichtlich wegen Totschlags in drei Fällen verurteilt. Eine Verurteilung gem. § 211 StGB – Mord – wegen heimtückischer Begehungsweise wurde nicht angenommen.

Jedenfalls im Falle der letzten Tötung im Jahre 2009 hat der BGH nunmehr festgestellt, dass das Landgericht Limburg rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen eines Heimtückemordes verkannt hat. Zwar hatte das Landgericht richtig erkannt, dass keine Arg- und Wehrlosigkeit des Kleinkindes vorlag, da dieses aufgrund seines Alters noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr in der Lage war. Aber es hatte nicht richtig beurteilt, dass die Arg- und Wehrlosigkeit eines in Bezug auf das Kind schutzbereiten Dritten vorgelegen hatte. Im Zeitpunkt der letzten Tötung nämlich hatte zuvor der Vater neben dem Kind gewacht, war aber dann schlafen gegangen und hatte sich von seiner Frau, der späteren Angeklagten, ablösen lassen, die dann bei einem Schreien des Kindes in einem Zustand der Überforderung zur Tötung geschritten war. Der Entschluss zur Tötung war auch erst nach dem Einschlafen des Ehemannes gefasst worden.

Der BGH stellt klar, dass ein schutzbereiter Dritter jede Person ist, die den Schutz eines Kleinkindes vor Leib- und Lebensgefahr übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut. Voraussetzung für eine Anwendung des § 211 ist allerdings, dass der schutzbereite Dritte auch wirksam eingreifen kann, wofür eine gewisse räumliche Nähe unabdingbar ist.

Dem Vater des Kindes kamen diese Eigenschaften zu, da er sich um das Kind sorgte und über seine Gesundheit wachte. Angriffen auf das Kind wäre er entgegengetreten und wäre, da er lediglich im Nebenzimmer schlief, auch dazu in der Lage gewesen. Lediglich weil er mit einem Angriff nicht rechnete und der Täterin vertraute, war er zu einer Abwehr nicht in der Lage. Ausreichend für die Annahme der Heimtücke war, dass die Täterin die Arglosigkeit des Dritten erkannte und für die Tatverwirklichung ausnutzte. Es kam nicht darauf an, ob die Täterin die Arglosigkeit auch selbst herbeiführte. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Die obigen Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar, sondern haben lediglich einen informativen Charakter.